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Sozialraumorientierung, Trägerbudgets sowie Unterstützung von Menschen mit komplexen Hilfebedarfen

Studienfahrt nach Hamburg zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes

Seit einiger Zeit beschäftigten sich die Mitglieder des Teilhabebeirats im Rahmen der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes verstärkt mit den Themen Sozialraumorientierung, Trägerbudgets sowie Unterstützung von Menschen mit komplexen Hilfebedarfen. Die Gestaltung von verstärkter Sozialraumorientierung im Rahmen von möglichen Trägerbudgets wird in Begleitung von Prof. Dr. Hinter in der Unterkommission 3 der Vertragskommission in Bremen behandelt. Die Interessensvertretung behinderter Menschen beteiligt sich an der Diskussion kritisch, da bisher konkrete Fragen zum Spannungsfeld Trägerbudget und Leistungserbringung im Sinne der Personenzentrierung aus ihrer Sicht nicht ausreichend beantwortet wurden. Nach Meinung der Interessensvertretung fehlte es bislang an Beispielen aus der Praxis. Die Stiftung Alsterdorf und Leben mit Behinderung Hamburg haben in allen drei oben genannten Felder seit einigen Jahren Erfahrungen gesammelt.

Anfang September 2023 machte sich daher eine 25köpfige Bremer-Reisegruppe auf den Weg nach Hamburg. Die Gruppe setzte sich sowohl aus Mitglieder des Landesteilhabebeirats als auch aus Leistungsträger und Leistungserbringer zusammen. Im Hamburger Haus für Barrierefreiheit im Stadtteil Alsterdorf kam die Gruppe mit Kolleg:innen der Stiftung Alsterdorf sowie Leben mit Behinderung Hamburg zusammen.

Zu Beginn ging es um die Entwicklung des Trägerbudgets in Hamburg seit 2014 und hierbei um die Rolle der Interessenvertretung. Im Austausch war es den Bremer Kolleg:innen besonders wichtig zu erfahren, wie unter anderem die Versorgung von Menschen mit komplexen Hilfebedarfen im Rahmen des Trägerbudgets erfolgt. In Hamburg gibt es demzufolge ein eingespieltes Verfahren der Leistungsanbieter, um komplexe Falllösungen gemeinsam zu erzielen und zu verhindern, dass Leistungsberechtigte außerhalb Hamburgs untergebracht werden müssen. Zahlen von externer Unterbringungen werden regelmäßig durch die Interessensvertretung in einem Begleitgremium regelmäßig abgefragt. Unabdingbar sowohl aus Sicht der Interessensvertretung als auch der Leistungserbringer sind für die Umsetzung eines Trägerbudgets im Sinne der Leistungsberechtigten „Können – Wollen – Vertrauen“. Die Ombudsstelle Eingliederungshilfe Hamburg stellte im Nachgang ihre Arbeit vor und riet im Rahmen der Qualitäts- und Wirksamkeitsprüfung den Gewaltschutz sowie die Teilhabe im Sozialraum für Menschen mit komplexen Hilfen aufzugreifen und immer wieder in Erfahrung zu bringen. Eine persönliche Zukunftsplanung wird in Hamburg unter anderem im trägerübergreifendes Modellprojekt „Leben wie ich will“ angeboten. Losgelöst von dem Eingliederungshilfe-Verfahren wird die Frage „Wie willst du leben?“ mit den Leistungsberechtigten intensiv nachgegangen.

Zum Ende der ersten Hälfte der Studienfahrt gab es ein Wiedersehen mit dem ehemaligen Vorstandssprecher des Vereins für Innere Mission Bremens. Pastor Uwe Mletzko ist seit 2021 Direktor der Evangelischen Stiftung Alsterdorf. Gemeinsam ging es zum Lern- und Gedenkort der Stiftung Alsterdorf. Mletzko stellte den Lern- und Gedenkort vor, der an die 630 behinderten Menschen erinnert, die zwischen 1938 und 1945 aus den damaligen Alsterdorfer Anstalten abtransportiert wurden. 513 von ihnen wurden nachweislich ermordet.

Auf dem Foto sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor dem Lern- und Gedenkort auf dem Gelände der Stiftung Alsterdorf zu sehen.
Foto: Stiftung Alsterdorf

Nach einer kurzen Mittagspause stellte sich das Beratungszentrum Alsterdorf vor. Unter dem Dach des Zentrums befinden sich unter anderem der Fachdienst Psychologie, die Psychiatrisch Psychotherapeutische Ambulanz sowie der Fachdienst Intensivpädagogik. Seit über 20 Jahren erfolgt durch das Zentrum eine individuell angepasste Psychotherapie für erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung. Das Angebot stieß bei der Bremer-Delegation auf viel Interesse, da die Versorgung von Menschen mit einer sogenannten Doppeldiagnose in Bremen durch das niedergelassene als auch stationäre System im Hinblick eines gleichen Anspruchs auf gesundheitliche Versorgung und psychosoziale Begleitung (Gleichbehandlungsprinzip) aus Sicht der Interessensvertretung nicht gewährleistet wird. Mit der Leitung des Beratungszentrums wurde durch das Referat Behindertenpolitik bei der Senatorin für Soziales sowie dem Team des Landesbehindertenbeauftragten ein weiterer Austausch im Frühjahr 2024 in Bremen vereinbart.

Zum Abschluss ging es erneut in den direkten Austausch: Im Rahmen eines Marktplatzes ging es um die Persönliche Zukunftsplanung, Teilhabelots*in und Assistenzdienst als Gelingensfaktor für personenzentrierte Unterstützungssettings sowie um eine inklusive Quartiersentwicklung um verbesserte Teilhabe-Möglichkeiten zu erreichen und um Profi-Leistungen zu reduzieren.

Es waren intensive und sehr lehrreiche sechs Stunden in Alsterdorf. Wir danken allen Referentinnen und Referenten ganz herzlich für den Austausch. Ausdrücklich bedanken wir uns für die Vorbereitung und Durchführung bei Frau Haubenreisser, Frau Wiez, Frau Stumpf, Frau Sechtin sowie Pastor Mletzko.

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