Arne Frankenstein ist seit fünf Jahren Landesbehindertenbeauftragter. Ein Amt, in dem man sich nicht langweilt – denn es gibt noch mehr als genug zu tun, um Behinderungen abzubauen und zu vermeiden. In der neuen Folge von Hinten links im Kaiser Friedrich berichtet Arne Frankenstein über Defizite in der Stadtplanung, über alltägliche Diskriminierung und bezieht Position zum Konflikt um die Gestaltung der Straßenbahnhaltestellen Domsheide. Aber die Folge dreht sich auch um die UN-Behindertenrechtskonvention, die Deutsche Bahn, um Frankensteins Leben mit einer 24-Stunden-Assistenz und die Bürgerpark-Tombola.
Silke Hellwig: Da sind wir wieder, diesmal nicht hinten links im Kaiser Friedrich, sondern vor der Tür.
Das hat nämlich einen Grund, auf den ich gar nicht vorbereitet war, was auch ein bisschen was über unser Gespräch vielleicht zeigt. Denn mir gegenüber sitzt der Landesbehindertenbeauftragte, Herr Frankenstein - Arne Frankenstein. Hallo, Herr Frankenstein.
Arne Frankenstein: Hallo, Frau Hellwig.
Silke Hellwig: Und ich wusste nicht, es ist mir erst auf dem Weg hierher klargeworden, ich wusste nicht, ob der Kaiser Friedrich barrierefrei ist. Wir haben festgestellt, für Rollstuhlfahrer ohne Motor geht das, aber das ist ein E-Mobil oder wie heißt das, E-Rollstuhl?
Arne Frankenstein: Genau, Elektrorollstuhl.
Silke Hellwig: Genau, und der ist einfach zu breit und da gibt es eine Stufe, die man dann nicht überwinden kann. Schöne Grüße an den Wirt und Betreiber oder sonst was, ob er sich vielleicht mal eine kleine Rampe anschafft.
Arne Frankenstein: Ja, da sind wir eigentlich schon mitten gleich im Thema, weil aus meiner Sicht, wir haben gute Regeln, was die Barrierefreiheit angeht. Und für öffentliche Gebäude, also in Verwaltungsgebäude kommen wir ja mal gut rein, aber in die Kneipe um die Ecke, ins Restaurant, ins Kino, da gibt es eben auch keine rechtlichen Vorgaben, Barrierefreiheit verpflichtend herzustellen. Und genau, da wird man natürlich häufig gerne rein und gerade in so einem historischen Restaurant, das fällt auch von der Atmosphäre ganz nett ist, das erleben wir jetzt eher sozusagen von draußen. Das ist häufig so ein bisschen die Perspektive, die man dann hat, wenn es nicht überall so gestaltet ist, das von sich aus funktioniert.
Silke Hellwig: Ja, man muss allerdings auch auf der Seite der Pächter oder Betreiber sagen, nicht überall ist es so einfach. Ich habe nämlich gerade daran gedacht, so Rampen werden ja auch aus Legosteinen gebaut. Da gibt es ja so eine ältere Dame, die das mal angestupst hat. Ich glaube, das ist hier vielleicht sogar zu eng, also, dass auch die Räumlichkeiten manchmal tatsächlich nicht hergeben. Also lassen Sie das nicht gelten?
Arne Frankenstein: Es gibt sicherlich Konstellationen, wo das schwieriger ist. Es gibt sicherlich auch Konstellationen, wo es dann auch nur mit sehr hohem Aufwand, wo man sagen würde, das ist jetzt nicht das, woran man es ausprobieren sollte. Gerade wenn das dann viele Kosten auslöst, kann man auch darüber sprechen, geht das jetzt oder geht das nicht. Aber hier würde ich sagen...
Silke Hellwig: Ich hoffe, man versteht uns noch. Wir sitzen ja draußen.
Toni flippt aus.
Arne Frankenstein: Aber hier würde ich jetzt sagen, das ist eine kleine Schwelle, die könnte man, glaube ich, vom Niveau her angeleichen, und die Türbreite, da wäre auch noch was möglich. Also ich glaube, hier könnte man zumindest eine Lösung finden, die auch ohne großen Aufwand funktioniert, würde ich mir jedenfalls wünschen.
Silke Hellwig: Allerdings sagte die Dame, die an der Tür stand, dass sowas eigentlich noch nicht zumindest in ihrer Zeit vorgekommen sei. Da muss man ja wahrscheinlich auch immer ein bisschen abwägen. Grundsätzlich würde man sagen, ja, hier ist jeder willkommen, aber wenn das noch nie passiert ist und man mit dem Rollstuhl, das ist wirklich eine kleine Stufe, das muss man ja zugeben. Na ja, mal gucken, wenn wir mal wiederkommen, was sich dann getan hat.
Arne Frankenstein: Wir testen das aus.
Silke Hellwig: Sie sind seit Mai 2020 Landesbehindertenbeauftragter, sind aber schon viel, viel länger aktiv für Behinderteninteressen. Ich habe auch mal gelesen, Sie haben nichts dagegen, wenn man Sie „behindert“ nennt. Es gibt ja Menschen, die mögen das Wort nicht, die sagen dann benachteiligt oder gehandicapt. Der Unterschied zwischen gehandicapt und behindert weiß ich jetzt auch nicht. Das eine klingt ein bisschen freundlicher, aber sagt eigentlich nichts Anderes aus. Das liegt an der Behinderung. Das heißt, Sie sind nicht behindert. Das heißt, Sie sind nicht behindert. Das liegt aber auch daran, wie Sie das Behindert sein definieren. Nämlich nicht, dass Sie behindert sind, sondern dass man Sie, die Gesellschaft, behindert. Genau, die Gesellschaft behindert. Kann man so sagen.
Arne Frankenstein: Genau. Man kann das eigentlich so auf diesen Kurzschluss bringen. Man ist nicht behindert, man wird behindert, eben durch die Barrieren der Gesellschaft. Und das ist auch so das moderne Verständnis von Behinderung, dass man sagt, also natürlich gibt es so ein individuelles Defizit, so ein, also, dass ich zum Beispiel nicht laufen kann. Und das alleine, das war früher, war das die Behinderung, dass man irgendwas nicht kann, die Abweichung von der Norm. Und das moderne Verständnis geht davon aus, es gibt das Funktionsdefizit und es gibt die Barrieren in der Gesellschaft. Und wenn, sagen wir, in dieser Wechselwirkung, ist so ein bisschen akademisch, aber wenn in dieser Wechselwirkung dann eine Behinderung entsteht, dann ist das sozusagen die Behinderung. Also, das heißt, in einer idealtypischen Gesellschaft, wo es...
Silke Hellwig: Wären Sie gar nicht behindert.
Arne Frankenstein: Genau, würde man gar nicht behindert werden.
Silke Hellwig: Wären Sie einfach irgendwer.
Arne Frankenstein: Genau.
Silke Hellwig: Wie jeder andere auch.
Arne Frankenstein: Und ich...
Silke Hellwig: Außer, dass Sie nicht laufen könnten, genauso wie ich zum Beispiel nicht chinesisch kann.
Arne Frankenstein: So in etwa, genau.
Silke Hellwig: Na ja, gut, das... Das beschränkt mich jetzt weniger.
Arne Frankenstein: Genau, natürlich ist das auch am Ende gar nicht so entscheidend, über die einzelnen Worte zu sprechen. Ich finde Handicap jetzt nicht so schön. Das kommt so vom Wortursprung her. Ich weiß gar nicht, ob Sie das wissen, von dem Zusammenhang von Cap in Hand, also Armut und Betteln sozusagen.
Silke Hellwig: Ach so.
Arne Frankenstein: Das sozusagen ist deshalb für mich, finde ich, eher ein fernliegender Begriff. Aber ich bin auch gar nicht so Sprachpolizei so sagen. Ich kann ja nicht allgemein sagen, man muss jetzt unbedingt behindert sagen, wenn man einen anderen Begriff benutzen möchte, finde ich das auch total in Ordnung.
Silke Hellwig: Aber Sie haben auch nichts gegen behindert.
Arne Frankenstein: Nee, und ich finde das, also sozusagen dieses Konzept deshalb ganz gut, weil das eben die Verantwortung für den Abbau von Behinderung eben der Gesellschaft zuweist. Und dann geht es halt darum, dass wir da besser werden.
Silke Hellwig: Obwohl die meisten, die das Wort benutzen, sich dessen wahrscheinlich nicht bewusst sind, ne?
Arne Frankenstein: Das stimmt, deshalb...
Silke Hellwig: Sie darunter verstehen. Es wäre gut, dass wir es doch mal ausgeführt haben. Sie sind Jurist, Ende 30, ich weiß nicht, ob 38 oder 39? 38 habe ich nicht vertan?
Arne Frankenstein: 38 stimmt.
Silke Hellwig: 38, genau. Sie haben in Hamburg studiert. Warum haben Sie Jura studiert? Sie sind schon seit Kindesbeinen an sozusagen behindert, Kindesbeinen, ja. Ich habe schon jetzt, ich fange schon an, mich selbst zu überkontrollieren. Sind Sie behindert? Hatte das schon was damit zu tun, dass Sie schon als Kind wussten, ich werde Jura studieren, um mich für die Rechte von Behinderten einzusetzen?
Arne Frankenstein: Also ich bin seit Kindertagen behindert und nutze auch lange einen Rollstuhl und auch Assistenz. Es hat, also, dass ich Jura studiert habe, hat was damit zu tun, dass ich also zum einen selber lernen wollte, wie ich mich, und das habe ich tatsächlich schon im Kindesalter gelernt, gegen Ungerechtigkeiten, aber erst mal selbst zu wehrsetzen wollte. Also ich erinnere mich noch an viele, viele Probleme, die dann vor allem meine Eltern getroffen haben, wenn es um Hilfsmittel ging. Also die Frage, neuer Rollstuhl, war immer ein Riesenproblem.
Silke Hellwig: Dass man da so kämpfen musste, dass der bewilligt worden ist.
Arne Frankenstein: Absolut, das war schon in meinen Kindertagen irgendwie ein Thema. Dass ich auf eine Regelschule gehen konnte, war ein Thema, dass meine Eltern auch kämpfen mussten. Und das sozusagen in den 90ern, wo ja schon, also das jetzt kein ganz neues Thema war. Und deshalb sozusagen war auf der einen Seite das schon auch so ein Ansatz zu sagen. Mich da selber auch in die Lage zu versetzen, mich dagegen zur Wehr zu setzen. Und dann bin ich aber sehr schnell im Studium auch über das Recht, sag ich mal, auch so ein bisschen politisiert worden für diese Rechte aus der Behindertenrechtskonvention. Die ist nämlich ungefähr, kurz nachdem ich mit dem Studium angefangen habe, ist sie nämlich von den Vereinten Nationen verabschiedet worden. Dann bin ich da so relativ schnell auch irgendwie in Kontakt gekommen und habe dann gedacht, ja, es gibt ja auch tatsächlich rechtliche Grundlagen, warum das, eigentlich auch anders gehört. Und das hat mich dann zunehmend auch politisiert.
Silke Hellwig: Darauf haben Sie sich auch spezialisiert. Haben Sie promoviert - zu dem Thema?
Arne Frankenstein: Ich habe angefangen mit einer Promotion, die ist so 3/4 fertig in der Schublade. Dann kam das Amt und zwei kleine Kinder dazwischen.
Silke Hellwig: Verstehe.
Arne Frankenstein: Genau, ist die Promotion nicht abgeschlossen.
Silke Hellwig: Ja, das kann ja noch kommen.
Arne Frankenstein: Das kann noch kommen.
Silke Hellwig: Auf jeden Fall ist das auch das Thema Ihrer Promotion.
Arne Frankenstein: Genau, ich habe mich da intensiv mit angetan.
Ich habe mich mit einer Vorschrift beschäftigt, wo es um die selbstbestimmte Lebensführung von behinderten Menschen geht. Also die Frage, wie kriegt man das eigentlich hin, auch mit den Vorgaben, die die Behindertenrechtskonvention da eben vorgibt, dass Menschen auch mit schwersten Behinderungen im Quartier um die Ecke in einer eigenen Wohnung leben müssen, außerhalb von großen Wohneinrichtungen. Das ist ja so ein bisschen das, was in der Vergangenheit, ich sage mal, nachdem behinderte Menschen im Nationalsozialismus, da systematisch verfolgt und umgebracht worden sind, war danach der Schritt zu sagen, wir gehen besonders fürsorglich mit behinderten Menschen um. Und da gab es viele geschützte Angebote, Wohneinrichtungen, Schulen, Werkstätten. Und sozusagen dieser Gedanke, dass man wirklich selbstbestimmt lebt, der ist noch gar nicht so alt. Und wie man das eigentlich auch mit den Mitteln des Rechts sozusagen erreichen kann und was da auch die Vereinten Nationen zu sagen, damit habe ich mich dann länger wissenschaftlich beschäftigt.
Silke Hellwig: Wo kommen Sie eigentlich her?
Arne Frankenstein: Ich bin in Lübeck geboren.
Silke Hellwig: Und da auch zur Schule gegangen?
Arne Frankenstein: Vor den Toren Lübecks in Bad Schwartau, da kommt die Marmelade her und die Corni-Riegel, also direkt neben der Fabrik der Schwartauer Werke. Da habe ich Abitur gemacht und bin dann genau zum Studium nach Hamburg und dann nach Bremen.
Silke Hellwig: Zum Referendariat nach Bremen gekommen, ne?
Arne Frankenstein: Genau.
Silke Hellwig: Ja, deswegen, dann sind Sie hier kleben geblieben. Warum?
Arne Frankenstein: Also zum einen, weil meine Frau hier in Bremen studiert und dann Referendariat gemacht hat. Die ist Lehrerin geworden. Ja, auch im Bremer Schulsystem. Und dann war irgendwann die Frage, gehen wir nach Hamburg oder gehen wir nach Bremen? Und ich kannte Bremen immer von den Besuchen hier und fand das total schön hier, total nett. Und habe auch immer schon gedacht, die kurzen Wege und die barrierefreien Infrastrukturen sind hier schon ein bisschen besser als in Hamburg.
Silke Hellwig: Ist das so?
Arne Frankenstein: Ja, die Straßenbahn macht da schon einen wesentlichen Unterschied. Ich habe in Hamburg häufig die U-Bahn nicht benutzen können, weil sie keinen Fahrstuhl hatten. Also da, wo ich gewohnt habe, am Berliner Tor, da gab es ganz lange keinen Fahrstuhl. Und außerdem gab es natürlich in Bremen, das war natürlich auch immer spannend, auch immer eine sehr bewegte Behindertenbewegung. Und ich habe hier auch dann...
Silke Hellwig: Genau, im Verein Selbstbestimmt Leben.
Arne Frankenstein: Genau, schnell…
Silke Hellwig: Den Vorsitz seit 2016 oder 2016 übernommen.
Arne Frankenstein: Genau, das war aber tatsächlich ein Zufall. Ich bin tatsächlich im Viertel in eine Wohnung gezogen, die in demselben Haus war wie Selbstbestimmt Leben. Und das war... Das war nicht geplant.
Silke Hellwig: Ach so.
Arne Frankenstein: Das war tatsächlich ein Zufall. Und dann bin ich da auch ganz natürlich sozusagen in Kontakt gekommen mit den Leuten, die da aktiv sind. Und dann war ich vielleicht auch ein bisschen schneller sozusagen in dieser Szene hier in Bremen drin, als das vielleicht gewesen wäre, wenn ich im anderen Stadtteil gewohnt hätte.
Silke Hellwig: Bremen hat ja, glaube ich, schon in den letzten Jahren Fortschritte gemacht oder alle Städte, was Barrierefreiheit betrifft. Aber zum Beispiel hier im Schnorr, würden Sie jetzt... Können Sie hier ohne weiteres fahren bei diesem Pflasterstein?
Arne Frankenstein: Ja, also es ist nicht so komfortabel. Und vielleicht wird es für einige Menschen mit so Handrollstühlen auch schwierig. Für mich geht das. Da würde ich eher sagen, genau für Menschen mit Handrollstühlen sind diese Kanten schwierig. Für Menschen, die nicht gut gucken können, ist es unübersichtlich. Aber für mich geht das.
Silke Hellwig: Aber das ist ja immer die Frage, weil man könnte natürlich auch die Steine rausreißen und das hier asphaltieren. Aber das würde dem... Ich weiß gar nicht, ob das wahrscheinlich... Steht es auch unter Denkmalschutz? Dem historischen Charme dann nicht entsprechen? Das ist doch ein Dilemma, oder nicht?
Arne Frankenstein: Ich glaube, häufig kann man diese Dilemmata auflösen.
Ich glaube, das zeigt auch... Also eigentlich zeigen das alle Diskussionen, die ich auch mit dem Landesdenkmalpfleger oder mit der Denkmalschutzbehörde auch zu unterschiedlichen Fragestellungen habe. Man findet eigentlich immer gute gemeinsame Lösungen. Die kosten manchmal ein bisschen mehr Geld, aber...
Silke Hellwig: Was Bremen nicht hat.
Arne Frankenstein: Genau, was Bremen nicht immer hat. Das macht es schwieriger. Aber vom Prinzip her geht das. Man könnte hier sicherlich darüber nachdenken, das Pflaster sozusagen nochmal so zu verlegen, dass diese Kanten hier nicht da sind. Man könnte eine Orientierungslinie für sehbehinderte blinde Menschen einbauen. Da, wo man Kopfsteinpflaster hat, was noch ein bisschen weniger gut verlegt ist, kann man das abschleifen, damit es gut berollbar ist. Also die... Man könnte es auf jeden Fall verbinden.
Silke Hellwig: Man könnte es verbessern, ohne dass man hier gleich alles anders macht.
Arne Frankenstein: Absolut. Und natürlich ist so ein historisches Erscheinungsbild auch was wert. Also ich will jetzt nicht das hier asphaltieren, um Gottes Willen, sondern es geht immer. Und also in so einer modernen Gesellschaft, finde ich, sind das genau die Fragen, die man lösen muss, darum, das gut miteinander in Einklang zu bringen. Im Übrigen beim Rathaus haben wir jetzt eine Verabredung getroffen, dass man da den Haupteingang jetzt über einen Scherenhub eben für behinderte Menschen...
Silke Hellwig: Das wäre schon längst passiert. Ich habe das gesehen. Das Versprechen ist aber auch schon ein bisschen älter, ne?
Arne Frankenstein: Das ist ein bisschen älter. Es scheitert jetzt noch, wie immer, an der Finanzierung, aber die Verabredung gibt es. Und ehrlich gesagt, die Finanzierung ist deshalb im Grunde nach auch gesichert, weil es eben Bundesmittel sind, die dafür eingesetzt werden können.
Silke Hellwig: Ja, da sind ja jede Kommune.
Arne Frankenstein: Mir dauert es aber auch zu lange.
Silke Hellwig: Ich habe das nämlich auch gelesen, habe gedacht, da ist aber auch noch nicht viel passiert, dass das so schwierig ist. Naja. Weiß ich nicht. Wir kommen gleich noch zur Domsheide, eines der Lieblingsthemen, vielleicht noch zum aufgesetzten Parken. Sie haben mal gesagt, vor ein paar Jahren, dass man eigentlich unverheiratet sein muss, wenn man behindert ist, wegen des Bundesteilhabegesetzes. Ich habe vorhin noch mal gelesen, nämlich, Sie dürfen gar kein Vermögen anhäufen, weil Sie ja... Also, Sie gucken schon so, als ob Sie mich gleich korrigieren würden, weil der Staat Sie zum Teil finanzieren muss, wenn ich das richtig verstanden habe. Sie sind aber vermutlich mal inzwischen verheiratet. Und trotzdem habe ich tatsächlich nachgelesen, es hat sich die Vermögensgrenze, glaube ich, verschoben. Ich glaube, Sie dürfen 10.000 Euro haben. Wenn Sie mehr Geld haben, wird Ihnen das, sofern Sie staatliche Leistung in Anspruch nehmen, weggenommen, abgezogen. Ist das so oder stimmt das gar nicht mehr? Jedenfalls, wenn dann...
Das wusste ich zum Beispiel gar nicht.
Arne Frankenstein: Mir Ja, also ich versuche es nochmal zu sortieren. Es ist so, vor dem Bundesteilhabegesetz und auch vor dem Entwurf, ich glaube, damals das Interview war sozusagen in der Entwurfsfassung des Gesetzes. Das hat sich dann in dem Gesetzgebungsverfahren nochmal ein bisschen geändert, weil es eben auch erhebliche Kritik daran gab. Es ist so, dass die Einkommens- und Vermögensanrechnung von Ehegatten und Partnern von einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft aufgehoben worden ist.
Silke Hellwig: Ah ja, das heißt, Ihre Frau darf vermögend ohne Ende sein. Sie werden da allein als Alleinstehender quasi gezählt, was das Zugriffsrecht auf privates Vermögen betrifft.
Arne Frankenstein: Genau.
Silke Hellwig: Zum Beispiel, um Ihren Rollstuhl zu bezahlen.
Arne Frankenstein: Mir Genau. Also beim Rollstuhl ist es halt in der Regel eine Krankenkassenleistung. Das ist sowieso dann...
Silke Hellwig: Ach, das ist nochmal was Anderes.
Arne Frankenstein: Aber mit Blick sozusagen auf das Vermögen meiner Frau ist es tatsächlich so, das Einkommen meiner Frau, dass das jetzt außen vor bleibt. Also das wird nicht mehr weiter betrachtet.
Silke Hellwig: Das heißt, man kann schon heiraten.
Arne Frankenstein: Mir Man kann schon heiraten. Das Heiratsverbot, genau, das besteht in der Weise nicht. Das haben wir dann auch gleich in die Tat umgesetzt.
Silke Hellwig: Ja.
Arne Frankenstein: Genau. Und gleichzeitig ist es aber richtig, dass für diejenigen behinderten Menschen, die wesentlich behindert sind, das heißt, die, also um das mal vereinfacht zu sagen, hohen Unterstützungsbedarf haben, für die ist es eben so, dass die in der Regel Eingliederungshilfeleistungen beziehen, weil sie, gerade wenn sie Assistenz haben und ich habe ja rund um die Uhr Assistenz, ich habe ein Team von sechs Assistenten, die für mich sozusagen im Schichtdienst rund um die Uhr sozusagen, meine Assistenz übernehmen, ist es dann so, dass für diese Person eine Anrechnung von Einkommen und Vermögen erstattet werden, weil das eben staatliche Leistungen sind, die sozusagen aus Steuermitteln bezahlt werden.
Silke Hellwig: Ja, genau. Das heißt, Sie dürfen nur 10.000 Euro haben.
Arne Frankenstein: Mir Ja, 10.000 stimmt auch nicht. Das ist auch angehoben worden.
Also das sind mittlerweile gut 50.000, die man haben darf.
Silke Hellwig: Aber, wenn Sie ein Haus besitzen würden, müssten Sie das dann schon verkaufen?
Arne Frankenstein: Mir Beim Haus ist es so, man darf ein angemessenes Hausgrundstück haben.
Silke Hellwig: Ein angemessenes?
Arne Frankenstein: Mir Ja, genau.
Silke Hellwig: Wenn Sie eine Villa hätten, dann würde der Staat Sie dazu zwingen, die Villa zu verkaufen, in ein angemessenes Haus zu ziehen. Dann müssten Sie den Erlös erstmal verbrauchen, bevor der Staat die Assistenz bezahlt.
Arne Frankenstein: Das ist richtig.
Silke Hellwig: Das finde ich auch hart, ehrlich gesagt.
Arne Frankenstein: Ja, finde ich auch. Und ich finde es auch ungerecht, weil...
Silke Hellwig: Ich finde es auch ungerecht, weil Sie können ja nichts dafür, dass Sie eine Assistenz brauchen.
Arne Frankenstein: Genau. Und selbst wenn ich was dafür könnte, könnte man immer noch über andere Regelungen nachdenken. Aber ich finde, sozusagen das Argument, dass ja auch jemand, der eine Behinderung hat, Vermögen aufbauen können soll, um auch sich selber zu helfen, ist eins, was ich finde, was da schon auch durchschlagen sollte. Also man kann auf der einen Seite über Leistung nachdenken, also jemand, der auch sozusagen für das Geld, was er bekommt, auch was tut. Und auch alle geldwerdende Leistungen, die man darüber hinaus bekommt, sollte man eigentlich auch behalten dürfen. Und wenn der Staat das für ungerecht hält, dann kann er ja aus meiner Sicht also sehr hohe Vermögensgrenzen vielleicht festziehen und sagen, naja, dass dann der Millionär sozusagen noch umsonst die Assistenzleistung bekommt. Da kann man vielleicht eine Grenze ziehen, aber sozusagen bis dahin finde ich auch, ich bin da ein bisschen befangen in dieser Frage, würde ich gerne auch ein bisschen mehr beiseitelegen fürs Alter und ansparen.
Silke Hellwig: Ich würde jetzt sagen, das ist auch ein Vorteil, weil ich glaube, 50.000 Euro ist ja schon was. Sie müssen sogar aufpassen, Sie können sozusagen viel verschwenderischer sein, damit Sie nicht zu viel sparen, theoretisch. Aber wenn Ihre Eltern was vererben und sich ihr Leben dann krumm gebuckelt haben, dann zum Beispiel ist das ein bisschen traurig, dass man Ihnen das dann sozusagen und sagt, wir möchten das unserem Sohn zur Verfügung stellen, damit er eine Weltreise oder zwei machen kann. Dann ist es, da wird es schon ein bisschen schwierig.
Arne Frankenstein: Ja, also da gibt es mittlerweile so Gestaltungen, von denen halt die Leute, die sich damit auskennen, dann wissen und dann so eine komplizierte Rechtsgestaltung mit Notar machen.
Silke Hellwig: Dass man das irgendwie staffelt oder so.
Arne Frankenstein: Genau, das ist dann aber rechtlich total kompliziert und da werden sozusagen die benachteiligt, die da auch gar nicht erst wissen um diese Regelung.
Und genau. Gleichzeitig muss man natürlich auch sagen, ist es total schwierig, dieses Thema jetzt auch politisch zu mobilisieren, weil genau wie Sie es gesagt haben, das ist eine sehr privilegierte Situation, wenn man bis zu 50.000 Euro ansparen kann. Das heißt, als es noch 5.000 Euro waren, haben alle verstanden, das ist ungerecht. Aber in dieser Auseinandersetzung darüber, wer findet das eigentlich gerecht und ungerecht, sagen viele, gibt es vielleicht auch wichtigere Themen, weil wenn man erst mal 50.000 hat, ist es ja, kann es einem ja gar nicht so schlecht gehen und das macht es aber schwieriger, dass auch da zu einer politischen Veränderung zu kommen.
Silke Hellwig: Das stimmt, aber diese Freiheit zu haben, zu sagen, was geht den Staat das an, wie viel Geld ich auch, da fängt es ja eher an. Oder ihnen zu sagen, was angemessenes Wohnen ist, was ist angemessenes Wohnen. Also ich meine, ich würde sagen, es ist finanziell schon gut, wenn man nicht alleine auf 250 Quadratmetern lebt, aber es gibt immer Leute, die das unbedingt wollen.
Arne Frankenstein: Jo.
Silke Hellwig: Gut, auf jeden Fall wusste ich das gar nicht. Das ist auch ein bisschen verblüfft, muss ich sagen, also im negativen Sinne verblüfft, dass es halt früher noch eine ganz andere Grenze gab oder dass man das einfach gar nicht durfte. Was ich schon finde, ja schon komisch finde, dass der, also auch wenn man, also grundsätzlich finde ich schon, dass wer sich selbst versorgen kann, nicht staatliche Leistungen in Anspruch nehmen soll. So ist unser Prinzip ja gedacht, aber ich finde bei jemandem, der behindert ist, der kann ja nicht einfach sagen, ja gut, ich mache es jetzt anders. Das ist halt der Unterschied. Ich wollte Sie noch fragen, mit der Assistenz, das bewundere ich. Es ist ja was ganz Besonderes mit sechs Leuten, nicht etwa nur einer Vertrauensperson, sondern sechs Vertrauenspersonen und die ständig um sich zu haben, weil sie können ja quasi wenig Geheimnisse haben. Wie schafft man das, damit so zu leben oder wenn noch schlimmer, einer ist ein halbes Jahr da und verliebt sich dann nach was weiß ich wohin und ist weg und dann kommt schon wieder jemand Neues. Also das finde ich, das zu schaffen, das ist auch echt eine, finde ich, eine charakterliche Leistung.
Arne Frankenstein: Also, ich bin da so ein bisschen reingewachsen, weil ich das sozusagen auch von vornherein kannte, dass ich Unterstützungsbedarf hatte und für mich war es eigentlich auch so eine Art Befreiung, dann zu sehen, dass ich das selber organisieren kann und dass ich da auch nicht sozusagen auf meine Eltern und andere Unterstützungskräfte so aus der Familie angewiesen bin. Das heißt, ich bin so eine…
Silke Hellwig: Emotionale, weiß ich nicht, Schuld oder Unschuld oder was weiß ich noch sein könnte, sondern dass das professionelle Verhältnisse sind, meinen Sie das?
Arne Frankenstein: Ja, also ich habe tolle Eltern, die das sozusagen lange irgendwie gemacht haben und mich da super unterstützt haben, aber es ist doch was Anderes so in dieser Emanzipation auch von zu Hause, gerade wenn man ein behindertes Kind ist, dass man sozusagen auch diese Flügel bekommt, da auch das selber zu machen. Und deshalb war sozusagen für mich Assistenz immer auch gleichbedeutend mit einem Gewinn an Freiheit und dass ich so leben kann mit Frau und zwei Kindern und mit dieser herausfordernden Tätigkeit. Und da ist die funktionierende Assistenz schon ein Schlüssel dafür, dass das so gut geht. Und natürlich ist das sozusagen für jemanden, der das nicht gewohnt ist, auch erstmal ein ungewohntes Konstrukt und stellen sich dann, glaube ich, von außen mehr Fragen, wie man das so organisiert, als es dann in der Praxis tatsächlich immer so ist. Aber natürlich geht es darum, immer auch auszutarieren, dass man ein professionelles Verhältnis hat. Und das ist. Und bei allem, dass man sicherlich sich auch gut versteht, was erforderlich ist, glaube ich, aber es darum geht, dass ich dafür Geld bezahle, dass meine Assistenzkräfte das für mich übernehmen und das dann eben auch bedeutet, dass man da auch so einen professionellen Umgang mit hat. Und natürlich kommt man sich in der einen oder anderen Situation näher. Natürlich habe ich viel Kontakt, aber gleichzeitig würde ich sagen, ich habe auch, weil Sie es angesprochen haben, natürlich auch Themen, die ich gar nicht mit meinen Assistenten teile. Und sehr wohl, ich sage mal in Anführungsstrichen, wie Sie es gesagt haben, Geheimnisse, die ich dann mit mir oder vielleicht auch mit meiner Frau teile.
Silke Hellwig: Aber ich meine, ja, aber es ist, also ich würde wahrscheinlich heutzutage schon Schwierigkeiten haben, in der WG zu wohnen.
Arne Frankenstein: Ja, das kann ich verstehen. - Das kann ich verstehen.
Silke Hellwig: Wenn man lange alleine gewohnt hat.
Arne Frankenstein: Das ist wahrscheinlich aber genau das Thema mit dem Erfahrungswert. Und wenn man es sozusagen auch ein Stückchenweise gewohnt ist, dass es so ist, dann.
Das ist gar nicht mehr so das Besondere. Wir haben irgendwie zum Glück die Möglichkeit, dass wir bei uns zu Hause erst so ein bisschen voneinander trennen können, dass sie ein eigenes Zimmer haben und wieder die Tür zumachen können, sodass sie uns jetzt nicht irgendwie auf dem Schoß sitzen.
Silke Hellwig: Nee, das geht ja nicht. Vor allen Dingen, es kann natürlich auch eine Bereicherung sein. Ich weiß gar nicht, fällt mir jetzt gerade ein, es kann ja auch genau das Gegenteil sein. Einfach ein ganz toller, bezaubernder Mensch, der eine echte Bereicherung ist, auch in Gesprächen oder sonst irgendwas. Das kann ja auch sein.
Arne Frankenstein: Absolut.
Silke Hellwig: Also ich denke jetzt erst mal daran, dass ich so viel. Teilen muss, zwangsläufig, weil ich einfach eine Assistenz eben brauche. Also ich finde es trotzdem bewundernswürdig. Man muss schon sehr tolerant auch sein, glaube ich. Dann noch sechs verschiedene Leute, die alles vielleicht ein bisschen anders jeder machen, weil jeder halt individuell ist.
Arne Frankenstein: Ja, also es gibt sicherlich auch die Momente, wo man irgendwie mal das Gefühl hat, man will jetzt mal ein bisschen mehr alleine sein. Und wo man auch sagt, so jetzt macht man mal die Tür zu. Also es ist auch nicht immer in der Kommunikation leicht, weil man natürlich auch sozusagen auf der einen Seite Chef ist, auf der anderen Seite aber der, der auch sozusagen die Hilfe benötigt. Und man muss ja dann so zwischen Klarheit auf der einen Seite und irgendwie auch dem Bedarf, dass es irgendwie gut funktioniert und man da irgendwie sich nicht überwirft. Bei einzelnen Sachen dann auch irgendwie immer wieder zueinanderkommen, neu. Aber es zeigt sich eigentlich, dass das zumindest bei mir mit den Leuten, die ich da jetzt habe, dass das auch häufig kontinuierliche Beschäftigungsverhältnisse sind. Also ich habe viele, die schon über Jahre bei mir arbeiten und das macht es dann auch verlässlich.
Silke Hellwig: Ja klar, man lernt sich ja auch immer besser kennen, ist ja klar. So, wollen wir noch zu dem, wollen wir zu dem, was heißt noch?
Nee, ich wollte Sie noch fragen, Diskriminierung im Alltag. Erleben Sie das? Und wenn, dann was ist das zum Beispiel?
Arne Frankenstein: Gute Frage. Also wenn es sozusagen darum geht, ob ich jetzt. Persönlich im Alltag irgendwie von jemandem wegen meiner Behinderung herabgesetzt werde, im Sinne von irgendeinem beleidigenden Kommentar, das erlebe ich eigentlich kaum. Das hat aber sehr viel auch damit zu tun, dass ich viel in so Zusammenhängen unterwegs bin, wo das jetzt eher nicht passiert, weil die Leute irgendwie das jetzt den Behindertenbeauftragten jetzt irgendwie nicht als erstes an den Kopf werfen.
Silke Hellwig: Aber, wenn Sie alleine am Wochenende, wenn Sie am Wochenende unterwegs sind in Ihrer Familie oder wenn Sie in Urlaub fahren oder so.
Arne Frankenstein: Also genau, das ist ein bisschen fragespannend, weil es immer so ein bisschen darauf ankommt, was man darunter versteht. Ich selber finde es schon immer unangenehm, Stichwort Assistenz, wenn ich jetzt irgendwie einkaufen gehe und die Verkäuferin an der Käsetheke spricht mit meinem Assistenten, weil sie davon ausgeht, dass ich gar nicht so drei Sätze gerade ausgeben kann.
Silke Hellwig: Ah ja, verstehe.
Arne Frankenstein: Das gibt es immer noch.
Silke Hellwig: Ja, ja, verstehe. Es ist gar nicht böse gemeint, aber es ist total unbedacht irgendwie.
Arne Frankenstein: Genau. Das finde ich irgendwie unangenehm.
Silke Hellwig: Unsensibel ist es, ja.
Arne Frankenstein: Und andersrum, also was ich auch immer so beachtlich finde, wir haben ja zwei kleine Kinder, die dann auch irgendwie bei mir auf dem Rollstuhl mitfahren. Die Kleine sitzt irgendwie auf der Fußklappe, der andere hängt sich irgendwie hinten ran. Und das führt immer dazu, dass Leute gucken und dann einen auch so anstrahlen. Und das ist auf der einen Seite schön, weil man denkt ja, die freuen sich irgendwie darüber. Und auf der anderen Seite ist man immer auch irgendwie so, irgendwie was Besonderes. Und manchmal, manchmal so in so schlechteren Momenten denke ich auch, das nervt auch ein bisschen, dass immer alle so, dass man immer so ein bisschen auf dem Präsentierteller ist deshalb. Aber das ist auch jetzt im engeren Sinne keine Diskriminierung. Ich glaube, Diskriminierung geht da los, wo, und das stört mich eigentlich am meisten, wo die, da sind wir beim Thema Strukturen. Strukturen sind so mein Lieblingsthema, wo die Gesellschaft eben immer noch das nicht schafft, dass man überall dabei sein kann.
Das kann beim Sportverein um die Ecke sein, weil es kein Angebot gibt.
Es gibt das, dass man da Sport machen kann. Das kann aber auch…
Silke Hellwig: bei der Deutschen Bahn sein.
Arne Frankenstein: Bei der Deutschen Bahn.
Silke Hellwig: Über die reg ich mich als Nichtbehinderte sogar auf.
Arne Frankenstein: Dann lassen Sie uns zusammen aufregen.
Silke Hellwig: Über die Deutsche Bahn, wenn ich da immer lese, Behindertentoilette geht nicht oder das geht da nicht und das geht da nicht. Und ganz oft sind es diese Sachen, die ausfallen. Und ich denke, was soll ich denn machen, wenn ich dann unterwegs bin? Ich meine, ich leide schon unter der Deutschen Bahn und könnte stundenlang jetzt über die Deutsche Bahn herziehen. Aber ich kann mir nicht vorstellen. Wie man, wenn man im Rollstuhl sitzt, wie man dann die Deutsche Bahn überhaupt noch in Erwägung zieht als Transportmittel. Das muss ich echt sagen. Wenn man zum Beispiel einen Zug verpasst, das ist ja auch gleich beim Thema Domsheide, wenn man einen Zug verpasst und die Beine in die Hand nehmen muss. Man kann natürlich auch sagen, nimm die Beine nicht in die Hand, aber dann gibt es heute keinen Zug mehr. Oder dann wartest du halt zwei Stunden. Dann gibt es aber keine Behinderten. Wenn es überhaupt eine Toilette gibt, gibt es, dann gibt es keine Behindertentoilette. Ich weiß gar nicht, wie der Stand der Deutschen Bahn da ist. Oder dann ist sie ab 18 Uhr halt verschlossen. Ja. Weil eben Pech gehabt. Fahren Sie Bahn, sagen Sie es mir. Trauen Sie sich, sich auf dieses Abenteuer einzulassen?
Arne Frankenstein: Also ich fahre Bahn. Ich bin früher noch viel mehr Bahn gefahren. Was mich tatsächlich, also unglaublich stört schon seit jeher, ist, dass man vorher Bescheid sagen muss, wenn man einen Fernzug buchen möchte. Und dass dann jemand kommt mit so einem, das sind total nette Leute bei der Bahn, die das machen, darum geht es gar nicht. Die Voraussetzungen sind eigentlich da, dass es anders geht.
Silke Hellwig: Mit diesen komischen Liften.
Arne Frankenstein: Genau, dass man dann da hochgepumpt wird. Und wenn man in Bremen auch noch, das hatte ich jetzt das eine oder andere Mal, möglichst früh in Bremen loswill, damit man diesen ersten Zug bekommt, der nach Berlin fährt, weil ich dann irgendwie eine Sitzung in Berlin wahrnehmen wollte. Und dann geht das halt nicht, weil der Mobilitätsservice erst ab 06:15 Uhr anfängt zu arbeiten.
Silke Hellwig: Das kann man gar nicht glauben.
Arne Frankenstein: Ne, das kann man nicht glauben.
Silke Hellwig: Aber das geht nicht. Also da finde ich, das ist wirklich absolute Diskriminierung. Einfach zu sagen, ja Pech, dann fangen wir ein bisschen später an. Deswegen ist nicht jeder Zug im Fahrplan, ist dann eben für Behinderte nicht geeignet. Das finde ich, geht heutzutage doch gar nicht.
Arne Frankenstein: Das sehe ich genauso. Es bestehen auch schon lange Versuche, das zu ändern. Mal gucken, ob es bald klappt.
Silke Hellwig: Ich bin da skeptisch.
Arne Frankenstein: Genau. Aber Sie sehen schon, ich gebe die Hoffnung nicht auf.
Silke Hellwig: Ne.
Silke Hellwig: Und bei der BSAG ist mir aufgefallen, ich weiß gar nicht, ob das wirklich stimmt, dass als die, es wurde ja, überall wurden ja Haltestellen neu ausgezeichnet für Sehbehinderte und Blinde, wo man sieht, wo man einsteigen kann. Dann wurden neue Züge angeschafft und jetzt stimmt das gar nicht mehr, oder? Jetzt sind die Türen ja meistens direkt hinter dem Fahrer, ne, nicht mehr hinter dem Fahrer, sondern eins weiter. Das heißt, diese Markierung, hier ist der Einstieg vorne beim Fahrer, hauen ja gar nicht mehr hin. Interessiert das gar niemanden? Mich interessiert es. Ich habe gedacht, was soll das?
Arne Frankenstein: Ja, das ist das Problem, dass nicht alle Haltestellen jetzt so schnell umgebaut werden, wie die neuen Züge eingeführt worden sind. Das heißt, genau, der Einstieg für Rollstuhlfahrer ist an der zweiten Tür. Soweit ich weiß, steigen aber blinde Menschen weiterhin an der ersten Tür ein.
Silke Hellwig: Aber im Boden, die Markierungen im Boden stimmen halt nicht mehr.
Arne Frankenstein: Genau, aber die sind ja im Wesentlichen für blinde Menschen und sehbehinderte Menschen, damit die wissen, wo die erste Tür ist.
Silke Hellwig: Genau.
Arne Frankenstein: Früher war sozusagen die erste Tür bei den alten Bahnen, war auch die Tür, wo der Hublift war. Und bei den neuen Bahnen ist der Hublift bei der zweiten Tür. Und blinde Menschen können aber bei der ersten Tür, die davor immer noch da ist, auch einsteigen.
Silke Hellwig: Das heißt, wenn die an dieser Markierung stehen, dann sind sie an der zweiten statt an der zweiten und dann ist es wurscht.
Arne Frankenstein: Genau.
Silke Hellwig: Ich habe immer das Gefühl gehabt, dass das jetzt gar nicht mehr passt und habe gedacht, wie kurzsichtig das war, das alles zu machen, anstatt zu überlegen, wir kaufen neue Züge. Und dann ist sie vorne. Und dann ist sie vorne die Einstiegsstelle woanders. Aber dann nehmen sie die BSAG in Schutz und es ist gut.
Arne Frankenstein: Genau.
Silke Hellwig: Ah ja, verstehe.
Jetzt kommen wir mal zu dem Thema Domsheide.Ich finde es hier jetzt schon, wenn man da einfach mal eine Viertelstunde steht und sieht, wie alte Menschen rennen, wie Frauen mit Kinderwagen rennen, wie alle möglichen Menschen rennen, damit sie noch einen Anschluss kriegen. Tagsüber ist das vielleicht nicht unbedingt nötig, weil dann kommt halt die nächste Bahn in ein paar Minuten.
Aber… Toni, jetzt reiß dich mal zusammen da drüben.
Arne Frankenstein: Der regt sich auch über die Domsheide-Gestaltung auf.
Silke Hellwig: Ja, wahrscheinlich. Obwohl er gar nicht betroffen ist, weil der kann bestimmt rennen.
Arne Frankenstein: Das glaube ich auch.
Silke Hellwig Aber man sieht die Menschen, man sieht die Menschen rennen, aber wenn der Takt 20 Minuten ist, dann oder abends oder die letzten Bahnen oder so, dann macht das ja schon einen Unterschied. Ich finde das jetzt schon ungünstig, aber es soll ja so bleiben.
Arne Frankenstein: Genau.
Silke Hellwig Sie hoffen noch auf eine tragfähige Lösung. Meine Fantasie fehlt für eine tragfähige Lösung.
Arne Frankenstein: Also der Senat hat sich ja festgelegt, diese geteilte Haltestelle in die Zukunft führen zu wollen. Also zu sagen, man belässt es sozusagen bei der geteilten Haltestelle und verschiebt aber sie nach hinten Richtung Weser.
Silke Hellwig Da muss man nicht mehr so viel rennen. Man muss noch rennen, aber nicht mehr so weit.
Arne Frankenstein: Naja, man muss mindestens noch genauso viel rennen wie vorher. Ein ticken mehr sogar. Also es sind im längsten Umsteigeweg sonst 285 Meter.
Silke Hellwig Ich glaube, das wäre weniger geworden.
Arne Frankenstein: Ja, gegenüber der ursprünglichen Planung, weil man oben beim zweiten Teil der Haltestelle vor der Post hat man ein paar Meter gewonnen. Da konnte man ein Stück Richtung Kirkeby-Turm jetzt verkürzen. Aber es sind weiterhin 185 Meter beim längsten Weg. Und das muss man auch sagen, die Düne bergauf. Also mit einer Steigung, die also die ganze Zeit hochgeht. Es sind also bis zu 2,5 Prozent sozusagen auf der Optimal-Linie, die man jetzt entlang der Schienen sich überlegt hat. Im Mittel, wo so gut 1,5 Prozent Steigung. Und das über einen sehr langen Weg. Und aus meiner Sicht ist das für Menschen, die eine Herz-Kreislauf-Erkrankung haben, die nicht gut gehen können, die aus irgendwelchen Gründen gesundheitliche Schwierigkeiten haben, eine besondere Erschwernis. Und dann ist die Frage, ist das wirklich die einzige Gestaltungsmöglichkeit, die man an der Domsheide finden kann. Und aus meiner Sicht überzeugt mich das nicht, wenn man jetzt einfach nur die eine Variante qualifiziert und die zweite, die ja immer noch im Raum steht, nämlich die oben auf der Domsheide, gar nicht weiter prüft.
Silke Hellwig: Genau, das war Ihre Forderung, dass beides haargenau geprüft wird und dass man dann das nebeneinanderlegt und guckt, ob es nicht doch geht so ungefähr.
Arne Frankenstein: Genau, weil vorher, finde ich, kann man keine abschließende Bewertung vornehmen. Meine Hoffnung wäre deshalb tragfähige Lösung, dass man auch oben eine Gestaltung finden kann, die funktioniert und die auch funktioniert für die Glocke. Weil ich glaube, dass die Platzverhältnisse oben ausreichen dafür. Man macht das momentan so, ich finde das ein bisschen schwierig zu sagen, man spaltet sozusagen die Fläche, die man hat, so künstlich auf, sagt man hat nur 3,50 Meter für den Bahnsteig, und dann hat man nochmal 4 Meter dahinter aber Richtung Postgebäude, wo man sagen muss, ich finde, wenn man das ein bisschen mit einbezieht, dann entsteht da trotzdem auf beiden Seiten eben viel Platz. Und natürlich muss man mit Blick auf die Glocke gucken, dass da keine Riesenhaltestelle im Eingangsbereich der Glocke gebaut wird. Aber ich finde, man kann stadtgestalterisch ja darüber nachdenken, wie man zum Beispiel da ein ganz luftiges Haltestellenkonzept macht mit einem Segel oben drüber oder was man sich da stadtgestalterisch irgendwie einfallen lässt, damit das nicht so wuchtig wirkt
und das dann in den Stadtraum auch so integriert.
Silke Hellwig: Das ist ja das geringste Problem wahrscheinlich.
Arne Frankenstein: Da kann man drüber nachdenken. Und offengesagt, wenn man möchte, dass in der Glocke tatsächlich dieser Umbau realisiert werden kann, dann muss man, glaube ich, jetzt auch eine Lösung für alle Belange finden, weil man ansonsten riskiert…
Silke Hellwig: Dass sie klagen und dann dauert es ein paar Jahre.
Arne Frankenstein: Genau, die Behindertenverbände haben ja angekündigt, das auch vor Gericht zu bringen und ich glaube, es ist jedenfalls auch nicht ausgeschlossen, dass sich das irgendwann noch auf das Bauvorhaben der Glocke bezieht, weil man dann sagt, naja, man muss den Zustand oben irgendwie sichern und wenn die Glocke jetzt was vor die Tür baut, dann kann das Einfluss auf das andere Verfahren haben und dann könnte man vielleicht auch rechtlich, ich halte das jedenfalls juristisch nicht ausgeschlossen, auch dagegen vorgehen und da muss man, finde ich, jetzt sagen, da geht es jetzt so ein bisschen um die Wurst. Also wenn man jetzt hier wirklich das langfristig so ertüchtigen will, dass es für alle geht, dann muss man jetzt nochmal alle an einen Tisch holen.
Silke Hellwig: Und zwar langfristig, nicht nur für fünf Jahre. Sie könnten, könnten Sie auch klagen, als Landesbehindertenbeauftragter?
Arne Frankenstein: Ich könnte gegen den Planfeststellungsbeschluss, das ist ja der Beschluss, der sozusagen am Ende erforderlich ist, damit man hier umbauen kann, gegen den, das ist ein Verwaltungsakt, dagegen könnte ich auch selber vorgehen.
Silke Hellwig: Und das, könnten Sie sich das vorstellen als jemand, der für das Land ja auch da sein soll, auch wenn in einer besonderen Funktion?
Arne Frankenstein: Ehrlich gesagt sehe ich meine Rolle da ein bisschen anders. Ich habe die ganze Zeit versucht und das würde ich mir auch ans Revers heften, dazu beizutragen, dass es noch eine Lösung gibt. Ich habe immer, meine gesetzliche Rolle ist auch eine Ombuds-Rolle. Ich habe immer versucht, mit allen Akteuren, sowohl im Senat, als auch mit den Verbänden, als auch mit anderen wichtigen Akteuren in der Stadt, mit den Fraktionen, mit der Industrie- und Handelskammer, mit der Glocke, Gespräche darüber geführt, wie man eine Lösung hinbekommen kann. Und wirklich mein Ziel ist es, wirklich mein Ansinnen wäre wirklich, dass man eine Lösung findet, die alle Belange unter einen Hut bekommt. Und ich glaube, dass das auch nicht ausgeschlossen ist. Und mein Eindruck ist nur, dass der Senat das gegenwärtig nicht weiter in diese Richtung bewegen möchte, sondern diese Variante 2.3 für die richtige hält. Und wenn das so ist und die Bewertung des Senates eben so bleibt, dann muss davon ausgegangen werden, dass trotz aller Bemühungen, die ich auch weiter jetzt auch noch in den nächsten Wochen und Monaten versuchen werde anzustrengen, dass die Behindertenverbände sich damit nicht einverstanden erklären.
Silke Hellwig: Das ist ja eindeutig.
Arne Frankenstein: Und das sozusagen dort aber auch lange auch konstruktiv auch an dem Prozess mitgewirkt wurde, aber irgendwann natürlich die Frage da ist, passiert da noch was oder nicht, das kann ich auch verstehen.
Silke Hellwig: Aber das wäre natürlich fatal. Das wundert mich auch ein bisschen, weil der Senat muss damit rechnen, dass wirklich geklagt wird und dann alles hier jahrelang irgendwie nichts vorangeht und dass womöglich Bundesmittel verfallen. Ich weiß gar nicht, ob die Glocke mitten einfach so verfallen könnte, aber zumindest ist das nicht gerade gut, wenn man Geld bekommen kann und man sagt, wir sind aber noch nicht so weit, weil wir hier eine Klage haben. Mich wundert, dass die das im Moment jedenfalls nicht scheinen bereit zu sein, davon abzuweichen. Das wundert mich ein bisschen. Wundert Sie das nicht? Oder glauben die das doch nicht genau? Glauben die, dass doch nicht geklagt wird?
Arne Frankenstein: Also mich wundert auch, dass wir da noch nicht sozusagen einmal nochmal alle gemeinsam an einen Tisch gekommen sind. Das würde ich mir weiterhin erhoffen, dass das noch passiert. Ich würde sagen, noch ist auch nicht zu spät.
Silke Hellwig: Wir werden es sehen. Ich finde, es gibt noch ein Beispiel, wo jeder sieht, dass Behinderte benachteiligt werden. Das ist beim Thema Inklusion und den fehlenden Sozialassistenten. Wir hatten ja vor ein paar Tagen eine Geschichte, wo ein zwölfjähriges Mädchen seit anderthalb Jahren nicht beschult wird, was ein Skandal sondergleichen ist, weil ich das so gut verstehe, dass das Mädchen darunter leidet und dass die Mutter darunter leidet, die nicht arbeiten gehen kann und so weiter und auch nicht den Unterricht ersetzen kann. Wir hatten vor nicht allzu langer Zeit eine Geschichte, wo ein Kind nicht mit auf Klassenfahrt sollte, weil es die Verantwortung zu groß war. Das im Jahr 2025 ist schon schwierig.
Obwohl ich verstehe, man versteht ja, niemand kann eine Schulassistenz herbeizaubern. Das ist ja wie in Kitas, Pflegepersonal und sonst was. Aber, dass ein Kind anderthalb Jahre, eine Zwölfjährige, also gerade noch in so einem Alter, nicht in die Schule gehen darf und Gleichaltrige trifft und so weiter, das ist...
Arne Frankenstein: Das ist rechtswidrig.
Silke Hellwig: Kommt da von Ihnen auch eine Eingabe, sagen Sie als Landesbehindertenbeauftragte, dann... Weiß ich auch nicht. Kann man da auch klagen eigentlich? Könnte diese Mutter das Land Bremen verklagen? Wahrscheinlich schon, ne?
Arne Frankenstein: Ja, denke ich schon. Aus meiner Sicht ist das eindeutig rechtswidrig, weil Schulbesuch versagt wird, obwohl es eine Schulpflicht gibt und auch ein Recht auf Schulbesuch. Und aus meiner Sicht greift auch das Argument viel zu kurz, zu sagen, es gibt keine Schulassistenz, weil wir natürlich eine Schulpflicht haben, die völlig - also die steht unter keiner Bedingung. Und das Schulsystem als solches, wenn man beim Stichwort Strukturen, muss, ermöglicht, dass Kinder mit Behinderungen in der Schule sein können, unabhängig davon, ob eine Assistenzkraft da ist. Ich habe mir... Also ich kenne den Fall nicht im Detail, weil was ungewöhnlich ist, dass im Vorfeld nicht bei uns gelandet ist. Häufig... Also wir sind ja Eingabe- und Beschwerdestelle, landen solche Fälle bei uns und wir bemühen uns dann auch, sozusagen dort das an den Senat heranzutragen.
Und für eine Lösung einzustehen.
Silke Hellwig: Vielleicht wusste das die Mutter gar nicht. Viele wissen das vielleicht auch gar nicht, an wen sie sich wenden müssen.
Arne Frankenstein: Genau, das kann gut sein. Deshalb kenne ich den Fall im Detail nicht.
Aber so wie die Berichterstattung war, ich habe sie auch gelesen und danach auch nochmal nachgefragt, dass ich da auch eine Lösung erwarte.
Silke Hellwig: Da stand das schon drin, dass das Bildungsressort sich wirklich bemüht, mit einem besonderen Projekt das jetzt irgendwie zu organisieren.
Arne Frankenstein: Ja, aber so wie ich das verstanden habe, war das jetzt auch keine Ausnahmekonstellation, wo sozusagen das besonders schwierig ist, dass das Kind sozusagen in die Schule geht, sondern es war eine Autismus-Diagnose. Und da braucht man möglicherweise ein bisschen Rahmenbedingungen und ein paar Leute, die sich damit auskennen und die dann sozusagen mit dem Kind gemeinsam gucken, wie geht das. Aber das rechtfertigt aus meiner Sicht in keinem Fall. Überhaupt die Versorgung von Schulbesuchen, so lange erst recht nicht. Und wir haben aber natürlich auch andere Konstellationen, bei denen das genauso ist. Und deshalb ist meine Forderung schon lange, dass wir also zum einen die systemischen Assistenzen in den Schulen verstärkt ausweiten. Also sagen, man hat diese Fachkräfte direkt an den Schulen und nicht nur im Einzelfall. Das kann dann zusätzlich sein. Das muss natürlich trotzdem mal erforderlich sein.
Silke Hellwig: Also nicht den Schülern zugeordnet, sondern der Schule, sodass für egal welches Kind da kommt, die dann helfen können.
Arne Frankenstein: Genau. Und gleichzeitig, dass man bei besonderen Konstellationen natürlich zusätzlich auch noch eine Einzelassistenz auch bekommen kann, aber dass das viel mehr in den Schulen abgesichert ist. Das hat der Senat jetzt auch aufgegriffen und jetzt auch ausgerollt, aber noch nicht flächendeckend. Das soll aber passieren. Und gleichzeitig finde ich, muss man noch viel mehr, ich sage mal das, was Inklusion in der Praxis ausmacht, die Schulen in die Schulen kriegen. Und wenn Sie jetzt mich ganz offen danach fragen, braucht es, glaube ich, mit auslaufendem Schulkonsensus eigentlich endlich ein klares Bekenntnis zu einer Einheitsschule. Das werden jetzt viele gerade sozusagen mit Blick auf die Bildungsergebnisse in Bremen wieder kritisch hinterfragen. Aber ich glaube, man braucht, um Inklusion flächendeckend gut zu machen, auch mit guten Bildungserfolgen, braucht man alle Ressourcen an der Schule um die Ecke, wo die Kinder hingehen können. Und das stabilisiert sich auch so ein bisschen gegenseitig, weil nämlich stärkere Schüler mit weniger Unterstützungsbedarf durch Lehrer dann wiederum Dinge auch in dem System machen können und die Kinder, die besonderen Unterstützungsbedarf haben, eben auch dann Ressourcen frei haben durch die Lehrerinnen und Lehrer, die dann vielleicht auch nicht immer, sozusagen für alle anderen dann mit da sein müssen.
Silke Hellwig: Das wäre jedenfalls das Ideal, ne?
Arne Frankenstein: Das wäre das, was man, glaube ich, zumindest als Vision nach und nach entwickeln muss. Und die Praxis zeigt in anderen Ländern, dass das tatsächlich funktionieren kann.
Weil natürlich, jetzt geht sozusagen die Diskussion los, kann man Gymnasien abschaffen? Und ich finde, ja, man muss das langfristig so machen, weil man ansonsten, weil man ansonsten überhaupt nicht in so einer Situation, wo auch so viele Fachkräfte nicht da sind, das von den Ressourcen in den Griff bekommt. Und wir haben im letzten Jahr so eine große Veranstaltung gemacht mit Georg Feuser. Ich weiß nicht, ob er Ihnen was sagt. Der hat ja in den 80er, 90er Jahren in Bremen so die Grundlagen für Inklusion in Kita und Schule entwickelt. Und der hat gesagt, jahrgangsübergreifender Projektunterricht, Einheitsschule und alle Lernerfolge realisieren sich dort trotzdem. Und man kriegt auch sozusagen die Kinder mit besonderem Unterstützungsbedarf in den Griff. Ich glaube, wenn wir wirklich über große Lösungen nachdenken wollen, dann müssen wir zumindest die Frage aufwerfen,
ob wir nicht da auch nochmal einen weiteren Schritt in diese Richtung gehen müssen. Auch wenn das politisch aus meiner Sicht jetzt gerade nicht, dass es was diskutiert wird. Aber ich finde, man sollte das eigentlich machen.
Silke Hellwig: Ich finde jedenfalls, wenn man sagt, wir sind die ersten in Inklusion, dann muss man es auch sicherstellen können. Es reicht nicht, dass als politisch, wir sind hier so toll, wie das damals war, als Herr Börnsen sozusagen Bremen als erstes Bundesland zur Inklusion. Man hat festgestellt, dass da die Strukturen noch gar nicht gepasst haben. Es ist ja trotzdem ehrenwert. Aber was hilft das, wenn Kinder 1,5, also ich finde das skandalös, 1,5 Jahre zu Hause sitzen.
Arne Frankenstein: Das ist es.
Silke Hellwig: Und sich auch keiner drum kümmert, weil das muss dem Schulamt ja auch bekannt gewesen sein, weil das Kind eben schulpflichtig ist. Und es wissen sich auch nicht alle Eltern immer zu helfen. Und manche würden sich sofort einen Rechtsanwalt nehmen und würden das durchfechten. Aber das kann man auch nicht von allen verlangen. Ich meine schon allein die Vorleistung finanziell zu treten, einen Rechtsanwalt anzuheuern zum Beispiel.
Arne Frankenstein: Absolut. Und gleichzeitig kann ich vielleicht auch allen, die das jetzt hören, auch nochmal sagen, wenn man in so einer Konstellation ist, vielleicht auch gerne in so einem ersten Schritt sich an uns wenden, an meine Dienststelle. Und dann versuchen wir auf jeden Fall, erstmal zu beraten und zu gucken, dass wir das auch möglichst schnell zur Bildungsbehörde kriegen, um da auch für eine Lösung einzustehen. Manchmal hilft das schon, nicht immer, aber zumindest können wir es versuchen.
Silke Hellwig: Ja, klar.
Ich habe natürlich im Archiv geguckt, wir haben über Sie berichtet, ich glaube so das erste Mal vor ungefähr zehn Jahren. Da waren Sie nämlich Vorsitzender bei Selbstbestimmt Leben. Dann haben Sie einer Initiative Barrierefreies Viertel angehört. Das war 2015. Jetzt zehn Jahre hat sich wahrscheinlich doch einiges getan, oder? Also da kann man bestimmt positiv bemerken, vielleicht nicht alles, aber dass es barrierefreier ist als 2015, würde man doch wahrscheinlich sagen, oder?
Arne Frankenstein: Damals habe ich da noch gewohnt, deshalb kann ich das ein bisschen besser einschätzen als heute.
Silke Hellwig: Ach so, Sie wohnen ja nicht mehr.
Arne Frankenstein: Genau, wir wohnen jetzt ein bisschen weiter draußen. Aber wenn ich so da bin, ist es immer noch relativ wuselig. Aber was damals so ein Thema war, war, dass die Außengastronomie immer so wild gewandert ist.
Silke Hellwig: Genau, das hat so Schwierigkeiten für alle, auch für alle möglichen Beteiligten, auch Werbeschilder und sonst irgendwas, was so im Weg rumsteht.
Arne Frankenstein: Genau, das hat man damals hier abgepunktet. Ich wäre mir nicht sicher, ich glaube, die sind nicht mehr da, die Abpackungen. Also, dass man es tatsächlich nachvollziehen kann.
Silke Hellwig: Ach so, das Forum am Wall war ein Thema, das war nämlich nicht barrierefrei.
Arne Frankenstein: Stimmt, ja, damals habe ich damals die Verbandsklage gemacht, genau.
Silke Hellwig: Aber inzwischen ist es, glaube ich, barrierefrei.
Arne Frankenstein: Also, wir haben da ja am Ende so einen Vergleich geschlossen,
was, glaube ich, immer noch ein bisschen schwierig ist, ist, dass man da so Stufen eingezogen hat und das so Stolperfallen sind, wenn man jetzt von dem einen, von dem Bäcker da zum nächsten Restaurant gehen möchte. Aber was wir auf jeden Fall geschafft haben, ist, dass da ja so ein Leitsystem durchgeht. Aber das war damals so ein gutes Beispiel dafür, dass man eben auf diese Vorgaben zur Barrierefreiheit bei der Baugenehmigung nicht geachtet hat. Und ja, dann sozusagen bei Gericht klar war, das geht so nicht. Und dann haben wir uns aber irgendwie geeinigt, weil es auch schwierig war, das im Nachhinein dann wieder rückzubauen und kosten. Aber das ist was, wo ich immer noch sagen würde, ja, da ist noch nicht immer überall das so eingesickert. Was Barrierefreiheit bedeutet. Also ich erlebe das auch bei Planungen.
Silke Hellwig: Das war ja nun eine städtische Planung, hätte man eigentlich meinen können, dass das schon so weit ist. Aber, dass Sie so kompromissbereit sind, das finde ich auch wiederum gut. Weil um das Recht haben wollen, auch wenn es für Sie und für andere natürlich Konsequenzen hat, das macht es halt auch nicht leichter.
Arne Frankenstein: Ja, und trotzdem kämpfen wir sozusagen dafür, dass das noch viel mehr von Anfang an berücksichtigt wird.
Silke Hellwig: Ja, auf jeden Fall.
Arne Frankenstein: Also ein Beispiel, wo ich es in der letzten Zeit auch noch mal gemerkt habe, war die Planung in dem ansonsten ja auch hochgelobten Tabakquartier. Aber da sind halt auch viele Vorgaben zur Barrierefreiheit erst mal nicht so gut berücksichtigt worden. Dann haben wir es sozusagen noch mal wieder nach vorne getragen, auch die Verbände und ich. Und jetzt gibt es da wiederum auch gute Verabredungen, um das nachzubessern. Auch im Prozess mit Bausenatorin und mit Justus Grosse, der auch positiv war.
Silke Hellwig: Wird das vergessen oder wird das sozusagen auf der Prioritätenliste einfach weiter runtergeschoben?
Arne Frankenstein: Ich glaube, das ist absolut kein böser Wille. Es ist nicht so drin. Und das ist schon erstaunlich, weil es eben Strukturen gibt, die das eigentlich absichern sollen. Aber umso mehr finde ich, also muss das noch verbindlicher werden. Ich glaube, anders kann man dem auch gar nicht begegnen. Ich bin auch, das habe ich am Anfang schon gesagt, hier wegen der Stufe. Ich bin auch mittlerweile ein Freund von klaren rechtlichen Vorgaben. Man muss das machen, wenn es nicht sozusagen unverhältnismäßig ist. Weil wir sehen das überall da, wo Länder das gemacht haben. Großbritannien, Vereinigte Staaten. Das über Jahrzehnte entwickelt sich einfach dann immer, immer mehr.
Silke Hellwig: Dass das gleich mitgedacht wird, automatisch.
Arne Frankenstein: Genau, dass das gemacht werden muss. Es gibt in diesen Ländern nicht, dass am Eingang eine Stufe ist. Und wenn Platz ist, gibt es auch immer eine barrierefreie Toilette. Und das ist so eine Haltungssache, finde ich. Das sind Kosten, die sozusagen für den Einzelnen im ersten Moment natürlich die Frage aufheben, können wir das machen? Und freiwillig, verstehe ich auch, kann man das dann nicht einfach so machen, wenn man ohnehin schon irgendwie damit beschäftigt ist, dass man damit seinen Lebensunterhalt gut verdient. Aber wenn man es von vornherein weiß und das gilt für alle, ist es auch kein Wettbewerbsnachteil. Und dann kann man das in die Kalkulation mit einstellen. Dann sind die 5.000 Euro für den Umbau, für den Umbau vielleicht auch auf die nächsten 20 Jahre gar nicht so schlimm.
Silke Hellwig: Dann lieber eine unisexbehindertenfreundliche Toilette für alle, als Männer- und Frauentoiletten und gar keine behindertenfreundliche. Zum Beispiel. Das geht ja inzwischen, glaube ich auch. Ich habe noch ein Fun Fact gefunden. Ich wollte Sie fragen, Ihr Name. Ist Ihnen der als Schüler irgendwie lästig geworden?
Arne Frankenstein: Irgendwie…
Silke Hellwig: Wurden da Scherze darüber gemacht?
Arne Frankenstein: Irgendwie nicht. Es ist komisch, ne.
Silke Hellwig: Ja.
Arne Frankenstein: Ich bin nicht der behinderte Junge, der noch Frankenstein heißt. Aber tatsächlich ist das wirklich mal die Ausnahme gewesen. Ich erinnere gerade, das fand ich ganz lustig. Ich hatte mal eine Jura-Erstsemester-Party. Da kam dann so leicht angetrunken einer um die Ecke, der sagte, ich saß da so im Rollstuhl, ich hatte irgendwie ein Polohemd an. Dann sagt er, ach, da ist ja der Para-Graf. Und das ist mir in Erinnerung gegeben.
Silke Hellwig: Das hast du schon um die Ecke gedacht.
Arne Frankenstein: Das ist wirklich wortwitzig.
Silke Hellwig: Ja, auf jeden Fall.
Arne Frankenstein: Und das fand ich auch selber ganz gut. Aber sozusagen mit dem Frankenstein selber habe ich tatsächlich vergleichsweise wenig Anfeindungen erlebt.
Silke Hellwig: Auch als Kind in der Schule, im Rollstuhl, haben Ihre Klassenkameraden, dass alles gut mit Ihnen verkraftet?
Arne Frankenstein: Ja.
Silke Hellwig: Sie haben es vor allem gut verkraftet.
Arne Frankenstein: Genau. Das ist ja immer so die Frage, wer verkraftet was.
Ich glaube, zum einen mit dem Thema Frankenstein, das war, glaube ich, in der Generation gar nicht so das Thema. Da war der Film auch nicht so bekannt.
Silke Hellwig: Ach so.
Arne Frankenstein: Nee, ansonsten, dass ich persönlich wegen der Behinderung mal im engeren Sinne gemobbt oder ausgegrenzt worden bin, habe ich tatsächlich in der Schule nicht erlebt. Was ich so negativ in Erinnerung habe, dass mal die Frage im Raum war, ob wir eine Klassenfahrt machen irgendwo hin. Aber das war eher sozusagen die verkürzte Antwort der Lehrer. Nee, das können wir nicht machen, weil das ist ja ein bisschen aufwendig mit Arne und so.
Silke Hellwig: Ach so.
Arne Frankenstein: Also so. Aber so von den Schülern selber, Mitschülern, das war eigentlich immer gut.
Silke Hellwig: Das ist natürlich gut.
Arne Frankenstein: Ja.
Silke Hellwig: Jetzt kommen wir zu dem Fun Fact. Ich glaube, den Namen Arne Frankenstein gibt es ja wahrscheinlich nur einmal in Bremen. Ich habe die gefunden als ein Gewinner von der Bürgerparktombola 2015. Wo Sie vermutlich ein 5.000-Euro-Bett gewonnen haben. Stimmt das?
Arne Frankenstein: Was Sie alles rausfinden.
Silke Hellwig: Ja.
Arne Frankenstein: Ja, das stimmt tatsächlich.
Silke Hellwig: Haben Sie das noch?
Arne Frankenstein: Nee, und ich habe es auch gar nicht bekommen. Aber das kann ich auch noch mal erzählen.
Silke Hellwig: man wirklich ein 5.000-Euro-Bett gewinnen, habe ich mich nicht so gefragt.
Das muss ja auch in die Wohnung passen und sonst irgendwas.
Arne Frankenstein: Absolut. Also ich habe tatsächlich bei der Bürgerparktombola hier bei der Liebfrauenkirche, habe ich an einem Sonntag gesagt, an einem Sonntagnachmittag tatsächlich nur ein einziges Los genommen.
Silke Hellwig: Und das war es?
Arne Frankenstein: Und haben mit dem Los dieses Bett gewonnen.
Silke Hellwig: Ja.
Arne Frankenstein: Also das war so ein Boxspringbett. Und das sah alles ganz toll aus. Und ich habe aber das Problem, oder ich sage mal, damit ich es nutzen kann, muss das Bett höhenverstellbar sein. Also man muss zumindest irgendwie Kopf und Fuß ein bisschen verfahren können. Und dann habe ich gefragt, ob das möglich wäre, dass ich das Bett auch mit einer Höhenverstellung bekomme, dass man da so einen elektrischen Lattenrost einbaut. Und dann war die Antwort des Herstellers, „Nein, das würde nicht gehen, weil bei uns seien diese hochwertigen Materialien verbaut, die erfordern würden, dass man alles nur aus Holz hat. Und Elektronik und Plastik, das würden sie da nicht verbauen wollen.“ So, und dann war ich erst mal ein bisschen frustriert, weil ich hatte mich eigentlich, da war ich irgendwie, da war ich noch, ich glaube, Referendar. Noch habe ich mich echt drüber gefreut und so ein tolles neues Bett. Und dann haben wir uns aber dann darauf verständigt, dass ich den Herstellungspreis für dieses Bett ausgezahlt bekomme. Und das waren dann irgendwie 1.200 Euro, weil das war sozusagen der Produktionswert für die Herstellung dieses Bettes.
Silke Hellwig: Aber das war trotzdem natürlich... Wie hoch ist die Gewinnspanne jetzt?
Arne Frankenstein: Aber Die ist nicht schlecht. für mich war die auch nicht schlecht, weil 2 Euro Einsatz und 1.200 Euro, das war super.
Silke Hellwig: Also man kann sowieso auf die Bürgerpaktombola nur ein Loblied singen. Weil sowas kann einem passieren. Kaufen sie weiterhin Lose?
Arne Frankenstein: Mache ich, ja, Ich habe dieses Jahr glaube ich so viele gekauft wie noch nie, weil mein Sohn, immer, wenn wir da vorbeikommen, wollt er immer wieder ein Los kaufen.
Silke Hellwig: Wie alt ist der?
Arne Frankenstein: Der wird jetzt bald 5.
Silke Hellwig: Ja, das ist genau das richtige Alter, ne?
Arne Frankenstein: Genau und ich habe mich immer breitschlagen lassen,
aber das ist vielleicht auch...
Silke Hellwig: Da freut man sich ja auch über Plüschtier und sowas schon sehr.
Arne Frankenstein: Genau, das Tolle ist ja wirklich, dass man auch eigentlich immer irgendwas gewinnt, ne? Bei drei Losen hat man immer einen Gewinn, das ist schon gut.
Silke Hellwig: Und das Gute ist, dass es halt in den Bürgerpark und in andere Parks in Bremen fließt.
Arne Frankenstein: Genau, da sind wir auch gerne.
Silke Hellwig: Allerletzte Frage, was haben Sie für Hobbys, was machen Sie zum Ausgleich von Ihrer Arbeit, die ja wahrscheinlich auch nicht unbedingt 9-to-5 ist, schätze ich mal.
Arne Frankenstein: Genau, es ist hohe Terminbelastung, auch abends und am Wochenende. Also ich bin tatsächlich so viel es geht mit meinen Kindern und mit meiner Frau unterwegs. Ich koche auch ganz gerne mit Hilfe meiner Assistenten.
Silke Hellwig: Da frage ich immer, was ist das Gericht, was Sie auftischen können, wenn einer sagt, „ich bin in zwei Stunden da und bringe noch drei Freunde mit.“ Was ist dann Ihre Spezialität? Mal angenommen, der Kühlschrank ist mit allem voll, was man sich so vorstellen kann.
Arne Frankenstein: Lachs-Curry.
Silke Hellwig: Ah ja.
Arne Frankenstein: Genau, das mache ich ganz gerne. Also genau, da sind Sie herzlich eingeladen, mal vorbeizukommen.
Silke Hellwig: Das ist total nett, das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Gut, Herr Frankenstein, haben wir noch was Wichtiges vergessen?
Arne Frankenstein: Ich glaube, erstmal nicht, außer dass wir bei Inklusion natürlich immer noch am Anfang sind und noch viel zu tun ist.
Silke Hellwig: Ja, also ich finde, wenn man sowas sieht, also abgesehen davon, dass Sie zum Beispiel heute hier nicht rein können, ich möchte jetzt wirklich hier keinen Vorwurf machen, aber dass es trotzdem, was man einfach feststellen muss, ich auch nicht drüber nachgedacht habe, ich wusste jetzt auch nicht, in welchem Rollstuhl Sie sitzen, aber trotzdem, das ist ja auch schon eine Gedankenlosigkeit. Und diese beiden Beispiele, die ich da genannt habe, mit einem Kind, was nicht beschult wird und einem Kind, was nicht mit auf Klassenfahrt soll, das können wir uns nicht mehr leisten. Das trifft einen, finde ich, dass das so ist. Auch wenn man wirklich, man keinen Schulassistenten aus dem Hut zaubern kann, aber das muss nächstes Jahr, darf sowas nicht mehr passieren, würde ich sagen.
Arne Frankenstein: Absolut. Und es ist halt, das habe ich am Anfang ja auch gesagt, von Menschenrechten, es geht nicht irgendwie um irgendwas, was nice to have ist, es geht nicht irgendwie um was Karitatives, um was Nettes, wir gehen irgendwie nett mit Behinderten um, sondern es ist wirklich was, worauf, ja, worauf in dem Fall zum Beispiel das behinderte Kind einen Anspruch hat und da versagt die Gesellschaft, da versagt der Staat und das darf nicht so bleiben. Dafür setzen wir uns die ganze Zeit ein und gleichzeitig, genau, haben wir auch vielfach, wir haben auch viele Demonstrationserlebnisse und das macht mitunter auch für mich und meinen Arbeitsstab die Arbeit dann auch herausfordernd, weil wir natürlich auch vielfach auch erleben, dass wir in so einer nicht inklusiven Gesellschaft eben auch weiterhin viele Benachteiligungen haben und es vielen auch dadurch auch echt auch persönlich schlecht geht und das einfach auch, ja, die Lebensrealität ist, dass Behinderung immer noch ein großes Risiko mit sich bringt, nicht nur arm zu sein, sondern auch einfach nicht so gute Lebenschancen zu haben und das ist was, wo wir, wie gesagt, immer noch am Anfang sind und als Gesellschaft wirklich noch viel, viel mehr erreichen müssen über die nächsten Jahrzehnte. Die Behindertenrechtskonvention ist jetzt 16 Jahre alt. Die Mutter der Behindertenrechtskonvention, eine der Mütter, Theresia Degener, die hat zu mir mal vor kurzem gesagt, sie geht davon aus, dass es 100 Jahre braucht, bis die umgesetzt ist. Wenn das stimmt, dann sind wir sozusagen auf so einem Weg noch ganz schön weit weg und dann müssen wir auch so ein bisschen durch das eine oder andere Tal, mal durch, aber ich glaube, wir dürfen das Ziel nicht aus den Augen verlieren
und wir müssen dafür auch eben konkrete Maßnahmen, konkrete Investitionen auch tätigen und Bremen war immer dafür bekannt, dass sie das besonders, ja, besonders konsequent auch hinbekommen und ich habe manchmal so den Eindruck, dass wir gerade dabei sind, so ein bisschen diese Konsequenz zu verlieren und so ein bisschen auch diesen Schulterschluss zwischen behinderten Menschen, Staat, Verwaltung und Zivilgesellschaft, das sieht man vielleicht auch am Thema Domsheide ein bisschen und da wünsche ich mir einfach, dass wir da noch mal konsequent auch einen anderen Pfad einschlagen.
Silke Hellwig: Ich bin gespannt, wenn wir uns in einem Jahr oder so wieder treffen, was dann mit der Domsheide passiert ist.
Arne Frankenstein: Ich auch.
Silke Hellwig: Vielen Dank, Herr Frankenstein.
Arne Frankenstein: Danke, Frau Hellwig.
Silke Hellwig: Vielen Dank auch an die Zuhörerinnen und Zuhörer.
Das war Hinten links im Kaiser Friedrich, ein Weserkurier-Podcast.